Baum 2014

Die Trauben-Eiche / Quercus petraea ((Mattuschka) Lieblein, 1784)

 

Unterscheidungsmerkmale Stiel- oder Trauben-Eiche
Die Stiel-Eiche war übrigens der erste Baum des Jahres 1989 – damals wurde diese schöne und erfolgreiche Umweltschutz-Initiative von Dr. Silvius Wodarz, dem Gründer und heutigen Präsidenten der Baum des Jahres-Stiftung, ins Leben gerufen. Die Trauben-Eiche ist nunmehr der 26. Jahresbaum. Und übrigens: wenn Sie nachfolgenden Text vollständig bis zu Ende lesen, finden Sie noch eine Überraschung…(hoffe ich zumindest)

 

Trauben-Eiche / Foto: A. Roloff

 

Charakteristika, Erkennungsmerkmale
Fangen wir am besten gleich mal mit der Frage an: welche Unterscheidungsmerkmale zeigen, ob es eine Trauben- und eine Stiel-Eiche ist? Denn nur wenn Sie das wissen, können Sie die Trauben-Eiche finden und erkennen. Die Baumfachleute (Dendrologen) sind sich einig, dass es alleine mit einem einzigen Merkmal nicht geht – leider! Man benötigt vielmehr mindestens 3, aber welche 3 Merkmale das sind, darüber gehen die Meinungen dann schon etwas auseinander. Da wir uns am Institut seit 20 Jahren mit dieser Frage befassen, möchte ich Ihnen den aktuellen Stand dazu mitteilen (TrEi = Trauben-Eiche, StEi = Stiel-Eiche):

Wenn man einen Baum bzw. seine Blätter nun nach diesen Eigenschaften kontrolliert, kann es also immer nur 3:0 oder 2:1 für Stiel- oder Trauben-Eiche stehen und nie unentschieden ausgehen. Ganz zufrieden kann man natürlich damit nicht sein, wenn zur Baumart-Unterscheidung mindestens 3 Merkmale nötig sind. Darauf kommen wir weiter unten noch mal zurück.Und wenn man Früchte findet (was eigentlich bei älteren Bäumen fast immer klappt, da man die Früchte entweder noch unreif oder reif am Baum findet oder vom letzten Herbst auf dem Boden darunter liegend), ist hilfreich/wichtig die 4. Frage:

Dann kann es allerdings auch 2:2 ausgehen, und es könnte ein Hybrid zwischen beiden Eichenarten sein.Die beiden Eichen haben ihren deutschen Namen Stiel- und Trauben-Eiche also von der Frucht, nicht vom Blatt – das ist wichtig, denn sonst müsste die Trauben-Eiche wegen der lang gestielten Blätter Stiel-Eiche heißen.

 

Habitus

Der Habitus von alten Stiel- und Trauben-Eichen unterscheidet sich kaum. Sie beeindrucken im Alter durch eine mächtige breite Krone (zumindest wenn sie freistehen, bei Bäumen im Wald hingegen hängt es von der Bestandesbehandlung der Förster ab) mit knickigen dicken Ästen. Daran erkennen Sie die Eichen doch schon lange von weitem, oder? Die Trauben-Eiche neigt etwas mehr zum geraden durchgehenden Stamm, weshalb sie in der Forstwirtschaft beliebter ist, denn dort geht es ja vor allem um die Stammqualität, und ein gerader Stamm erzielt höhere Preise.

 

Blätter Stiel-/Trauben-Eiche / Foto: A. Roloff

 

Rinde
Die Rinde ist eine Schuppenborke, sie reißt in langen viereckigen Strukturen auf und kann in hohem Alter 5 cm dick werden, und dann auch eine Netzborke bilden. Trauben-Eichen können bis zu 40 m Höhe erreichen, die dicksten Bäume hierzulande ("Champion Trees") dürften am Stamm so um die 2 m dick sein (BHD = Brusthöhendurchmesser). Interessant dass viele der in Baumbüchern genannten besonders dicken Trauben-Eichen bei genauem Hinsehen Stiel-Eichen sind. Daran merken wir schon wieder, dass die Unterscheidung wohl selbst Experten Probleme macht. So waren/sind von 8 Naturdenkmal-Trauben-Eichen, zu denen ich extra z.T. weit hingefahren bin um sie persönlich zu sehen, 6 Stiel-Eichen, also waren 75% falsch benannt. Wie z.B. die berühmte Dunie-Eiche bei Uslar im Solling, die in Fachbüchern und Publikationen mit einem Stammumfang von 7,90 m übereinstimmend als dickste Trauben-Eiche der Republik genannt und beworben wird – Fehlanzeige, es ist eine Stiel-Eiche! Warum bloß, frage ich mich, sind fast alle besonders dicken Eichen Stiel-Eichen?? Und welche ist denn nun die dickste Trauben-Eiche der Republik??? Nach der Dendrologen-Datenbank www.championtrees.de ist es ein Baum (endlich: tatsächlich eine Trauben-Eiche, hab ich nachgesehen) beim Schloss auf der Pfaueninsel in Berlin-Zehlendorf mit 5,70 m Stammumfang. Leider ist dieser Baum von Schnittmaßnahmen ziemlich verstümmelt und deshalb nicht mehr besonders schön. Schauen Sie sich bitte um und nennen Sie uns weitere Kandidaten an , bestimmt gibt es irgendwo noch eine dickere Trauben-Eiche?

 

Blätter / Herbstfärbung

Die Blätter der Trauben-Eiche haben beiderseits des Hauptnervs 5-8 abgerundete Lappen (die Rot-Eiche z.B. hat zugespitzte Lappen), alles weitere Wichtige zu den Blättern wurde oben schon erwähnt. Die Herbstfärbung ist sehr vielfältig, es kommen zunächst im Oktober alle möglichen Gelb- und Gelbgrüntöne vor, dann Gelbbraun- und Brauntöne. Dies kann sich erfreulich lange hinziehen, so dass die Eichen noch Farbe in die Wälder, Stadt und Landschaft bringen, wenn im November viele andere Baumarten bereits kahl sind. Die Blätter bleiben teilweise, bei jüngeren Bäumen auch alle den Winter über braun bis graubraun in der Krone hängen, weil die Trennungszone im Blattstiel nicht mehr rechtzeitig vorm Frost aktiviert wird – da könnte man ins Spekulieren kommen, ob die Trauben-Eiche bei milden Wintern das Potenzial zu einer immergrünen Eiche hat? Solche Eichenarten gibt es ja südlicher von hier im Mittelmeerraum (z.B. Stein- und Spanische Eiche).

 

Blüten / Früchte
Die windbestäubten Blüten sind sehr unauffällig, sie erscheinen erst mit 20-40 Jahren und sind nur bei nahem Hinsehen zu finden. Und selbst dann sieht man meist nur die männlichen Kätzchen, da die weiblichen Blüten am Ende der gerade austreibenden Zweige zwischen den sich entfaltenden Blättchen verborgen sind – eigentlich benötigt man dafür eine Lupe, aber wirklich aufregend ist es nicht, was man da sieht (z.B. rote Narben), so dass ich es mir hier auch sparen kann darüber mehr zu schreiben. Das ändert sich aber wenn sich anschließend die Früchte daraus entwickeln, denn die Eicheln kennt und findet ja wohl wieder jede/r. Dann wissen Sie sicher auch, dass sie in einem Fruchtbecher sitzen (der "Mütze"), die ein Drittel der Frucht umschließt. Die Frucht ist eine Nuss, da die äußere Fruchtwand hart ist. Zwar nicht so hart wie bei der Haselnuss, aber hart genug für den botanische Fruchttyp Nuss.

 

Eicheln / Eichenmast
Die Eicheln fallen ab Oktober aus den Kronen, worüber sich das Wild sehr freut (früher auch in den Wald getriebene Haustiere), denn die Früchte sind sehr nahrhaft und für viele Tierarten offensichtlich auch schmackhaft. Sie werden von Kleinsäugern und Vögeln verbreitet, die bis zu einigen km entfernt vom Mutterbaum Eichelverstecke anlegen und sie dann teilweise nicht wiederfinden. Für uns Menschen hingegen sind Eicheln wegen der bitteren Inhaltsstoffe und der vielen Stärke roh nicht genießbar. (Kartoffeln essen Sie ja auch nicht gerne roh, oder?) In Notzeiten kann man daraus aber Mehl, Kaffee

ersatz u.a. herstellen. Früher waren die Eicheln weitverbreitet sogar auch für Menschen eine wichtige Nahrungsquelle, dafür wurden sie z.B. gekocht. In bedeutsamen Staatsjagdgebieten wie dem Reinhardswald bei Kassel oder dem Wermsdorfer Forst bei Oschatz/Sachsen waren Jahrhunderte lang (z.T. auch heute noch) Eichen besonders wichtig wegen der Eicheln fürs Wild, und auch Haustiere fütterte man damals, indem man sie in den Wald trieb. Eichen entwickeln alle paar Jahre besonders viele Früchte gleichzeitig an allen Bäumen, das ist dann die sog. Eichenmast, die fette Schweine, Hirsche und Haustiere zur Folge hatte. "Auf den Eichen wachsen die besten Schinken" sagen Kenner auch heute noch.

 

Pfahlwurzler
Eichen sind als Pfahlwurzler bekannt, d.h. es entwickelt sich über lange Zeit eine steil nach unten wachsende Hauptwurzel, die Bäume sind daher hervorragend verankert, so dass sie sehr sturmfest werden. Die Wurzel erreicht Tiefen bis 2 m. Empfindlich sind Eichen allerdings (dazu gibt es gerade in der jüngeren Vergangenheit eindrucksvolle Beispiele), wenn an ihrem Standort ein zuvor relativ gleichbleibender Grundwasserspiegel in kürzerer Zeit absinkt oder ansteigt. Dann sterben die Tiefenwurzeln ab, auch die Pfahlwurzel, und die Bäume können umfallen oder absterben. So z.B. ges(ch)ehen in Köthen in Sachsen-Anhalt, wo nach Einstellung der Grundwasserentnahme Anfang der 1990er Jahre durch Stilllegung mehrerer Betriebe der Grundwasserstand wieder auf das ursprüngliche Niveau anstieg und daraufhin in den letzten Jahren viele alte Eichen umfielen. Die Eichen gehören zur Familie der Buchengewächse, sind also nah mit Buchen und Ess-Kastanien verwandt, alle 3 Gattungen haben einen Fruchtbecher mit Nüssen darin. Weitere häufiger verwendete oder bekannte (nicht heimische) Eichenarten sind Rot- und Sumpf-Eiche (aus Nordamerika), selten ist bei uns in wärme begünstigen Lagen die einheimische Flaum-Eiche zu finden.

 

Text: Kuratorium Baum des Jahres (gekürzt)