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Fluss 2013/2012

Die Helme

 

Die im thüringischen Eichsfeld entspringende Helme ist vom Gemeinsamen Gewässerbeirat der NaturFreunde Deutschlands (NFD) und des Deutschen Anglerverbandes (DAV) zur Flusslandschaft des Jahres 2012/13 gekürt worden. Die Helme enstpringt bei Stöckey im thüringischen Landkreis Eichsfeld, fließt auf rund 74 Kilometern zwischen Harz und Kyffhäuser durch Thüringen und Sachsen-Anhalt, dabei auch durch die Goldene Aue und den Südrand der Sangerhäuser Mulde, um schließlich bei Kalbsrieth in die Unstrut zu münden. Dabei wird ein Einzugsgebiet von etwa 1.316 Quadratkilometern über Unstrut, Saale und Elbe in die Nordsee entwässert. Im Oberlauf in Thüringen gehört sie zur Forellenregion und in Sachsen-Anhalt zur Äschen- und Barbenregion. Sie war einst einer der fischreichsten Flüsse Mitteldeutschlands.

 

Fluss2012/13 Helme / Foto: Philipp Freudenberg

Die Helme / Foto: Philipp Freudenberg - DAFV

 

Die Ausgangslage: Hochwasserschutz führte zu Begradigungen
Das Siedlungsgebiet der Helme galt, wie auch das benachbarte Unstrutgebiet, als schilf- und buschreiche Landschaft. Die Helme bildete aufgrund des geringen Talgefälles zahlreiche Mäander. Die Ufer waren gesäumt von Weiden und Erlen und das strukturreiche Flussbett wies häufige Anbrüche, tiefe Kolke und Furten auf. Erste systematische wasserbauliche Aktivitäten in der hochwassergefährdeten Helmeniederung setzten bereits im 12. Jahrhundert ein.

 

Nach einem Sommerhochwasser in der Unstrutniederung im Juni 1956, das große Schäden anrichtete, wurde ein Sofortprogramm zur Verbesserung des Hochwasserschutzes verabschiedet. Neben der Errichtung eines Rückhaltebeckens mit einem Fassungsvermögen von 35,6 Millionen Kubikmetern im Raum Berga-Kelbra wurde der gesamte Helmelauf begradigt und ausgebaut. In der Folge verschwanden fast alle natürlichen Mäander. Die Uferböschungen wurden überwiegend mit Steinschüttungen gesichert. Gegen die Tiefenerosion wurden keine Maßnahmen unternommen. Um die erhöhte Fließgeschwindigkeit zu verringern und die Speisung der verbleibenden Mühlgräben zu sichern, wurden sechs feste Wehre errichtet beziehungsweise rekonstruiert. Die Forderung der Angler nach dem Einbau von Fischunterständen und der Erhaltung von Altarmen wurde kaum berücksichtigt.

 

Die Konsequenz: Abnehmende Wasserqualität
Die Wasserbeschaffenheit der Helme wird maßgeblich durch die nährstoffreiche Talsperre Kelbra beeinflusst. In den Wintermonaten erfolgt kein Einstau, so dass der gesamte

Stauraum für den Hochwasserrückhalt zur Verfügung steht. In der übrigen Zeit erfolgt ein Dauerstau zwischen 12 bis 13 Millionen Kubikmetern. Aufgrund ihrer geringen Tiefe (mittlere Tiefe bei Dauerstau circa zwei Meter) ist die Talsperre ein ungeschichtetes Gewässer. Die aufstaubedingte erhöhte Verweilzeit des Wassers führt häufig zu einer hohen Phytoplanktondichte. Dadurch wird die Wasserqualität negativ beeinflusst. Bei Stauseeablass gelangt diese mindere Wasserqualität in den nachfolgenden Flusslauf. Die durch das Stauregime bedingten Wasserstands- und Fließgeschwindigkeitsschwankungen führen zu erheblicher Stressbelastung der Fische und anderer aquatischer Lebewesen unterhalb des Stausees. Die zurückbleibenden Sedimentablagerungen bilden beim Ablassen des Stausees im Flussbett einen weiteren negativen Faktor und führen durch die Störung des natürlichen Rhythmus zu einer engen Limitierung des Fischbestandes.Durch die Inbetriebnahme des Klärwerkes in Sangerhausen sowie den zunehmenden Anschluss der Gemeinden an das öffentliche Abwassersystem verbesserte sich die Wasserqualität der Helme. Neben der Wassergüte haben natürlich auch andere Faktoren erheblichen Einfluss auf den Artenreichtum. Bereits mit den umfangreichen wasserbaulichen Maßnahmen zum Hochwasserschutz Anfang der 60er bis in die 70er Jahre und den mit der Inbetriebnahme des Stausees Kelbra einhergehenden erheblichen Veränderungen im Abflussregime begann das aktive Wirken des Kreisanglervereins Sangerhausen für die Verbesserung der aquatischen Lebensbedingungen in der Helme. Durch die Protokollierung weiterer Verschlechterungen, die durch Maßnahmen zum Hochwasserschutz verursacht wurden, gelang es Schritt für Schritt, Belange des Biotopen- und Artenschutzes ins Bewusstsein der Entscheidungsträger zu rücken und punktuelle Verbesserungen zu erreichen. Neben vielfältigen Aktionen der Angler zur Reinhaltung der Ufer und Gewässer galt schon immer ein Hauptaugenmerk der Entwicklung gesunder Fischbestände, was stets auch mit intakten Biotopen verknüpft ist.

 

Die Herausforderung: Ökologische Durchgängigkeit wieder herstellen
Die ökologische Durchgängigkeit der Helme zu gewährleisten, ist eine Schlüsselaufgabe für eine nachhaltige Entwicklung nicht nur der Wanderfischarten, sondern auch zum genetischen Austausch der Arten untereinander. Bei paralleler Schaffung von Laichhabitaten und strukturreichen Gewässerabschnitten könnte so auf Dauer ein stabiler, wenn auch limitierter Fischbestand erreicht werden.Da sich durch die Folgen der wasserbaulichen Maßnahmen ein natürliches Artenspektrum nicht mehr von selbst einstellte, war es schon immer der Auftrag des Anglerverbands dafür Sorge zu tragen, dass die Artenvielfalt in den Gewässern so wenig wie möglich leidet.Jährliche Besatzmaßnahmen zur Bestandsstützung und zur Auffrischung des Genpools, Elektrobefischungen zur Bestandsermittlung und zur Gewinnung von Besatzfischen für andere Gewässer, die Einführung von Schonstrecken und Fangbegrenzungen sind neben der Fangbuchführung und deren Auswertung zur Aufgabe des Kreisanglervereins Sangerhausen geworden.In der Gegenwart zeugen ein selbst auferlegtes Entnahmeverbot bei der Äsche und Barbe, Besatz mit bereits ausgestorbenen Fischarten wie Zärte, Wels und Elritze in der Helme, bestandsstützender Besatz, Unterstützung des Bachmuschelprojekts der Ökologiestation, bis hin zum Elektroabfischen bei Gefahren für den Fischbestand mit schonender Umsetzung von Kontinuität und Ausdauer. So schlug sich Drängen des Kreisanglervereins Sangerhausen auf Veränderung gegenüber den staatlichen Stellen und eine aktive Vereins- und Öffentlichkeitsarbeit in positiven Veränderungen am Gewässer nieder. Das enge Zusammenwirken mit dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) und dem Unterhaltungsverband Helme bekam mit der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU, dem Fließgewässerprogramm des Landes Sachsen-Anhalt und der im Jahr 2000 verabschiedeten Wasserrahmenrichtlinie der EU erst die finanzielle Ausstattung, um über den Hochwasserschutz hinausgehende Projekte zu verwirklichen.

 

Die Bilanz: Erfolg durch Verantwortungsbewusstsein und Kooperationen
Zwanzig Renaturierungsmaßnahmen am Flusssystem in den letzten 15 Jahren sind ein eindrucksvoller Beleg, dass ein breiter Konsens über die Sinnhaftigkeit des nachhaltigen Wirtschaftens mit den Naturressourcen besteht. Die aktive Mitarbeit des Kreisanglervereins Sangerhausen in Arbeitsgruppen des Ministeriums, intensive Kontakte zum Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) und dem Unterhaltungsverband Helme, die zeitnahe Einbindung von Volksvertretern auf allen Ebenen und die Nutzung der Möglichkeiten des Landesanglerverbandes führten zu einem Klima, in dem große Investitionen in den Umweltschutz nicht als Last, sondern als Investitionen in die Zukunft angesehen und umgesetzt werden.Profilaufweitungen am Flussbett, die Errichtung von Flachwasserzonen und Laichschonbezirken, Altarmanbindungen, das Anlegen von Gewässerschonstreifen, die Rekonstruktion von Nebengewässern bis hin zur kartographischen Erfassung von Fischunterständen und deren Erhalt bei Unterhaltungsmaßnahmen sind eindrucksvolle Beispiele der gemeinsamen Anstrengungen zur Erreichung des „guten Zustandes“, wie ihn die Wasserahmenrichtlinie bis 2015 vorgibt.

 

Ein Erfolg: Neue Fischarten konnten angesiedelt werden
Die konsequente Umsetzung sowohl der Maßnahmen zur Gewährung der ökologischen Durchgängigkeit, der Verbesserung des chemischen Zustandes, als auch zur strukturellen Bereicherung des Habitats zeigen positive Wirkung.So konnten Fischarten wie Bachneunauge, Elritze, Quappe, Wels, Rapfen, Moderlieschen und Ukelei nach Jahrzehnten des Fehlens im Artenspektrum wieder nachgewiesen werden. Natürlich kann man noch nicht von dauerhafter Artenrückkehr reden, aber allein die Tatsache ihres erneuten Nachweises zeigt das Potential und die Funktionstüchtigkeit realisierter Maßnahmen.Um die erzielten ersten Erfolge, denen bereits Investitionen von mehreren Millionen Euro in den Fließgewässerumbau vorausgegangen waren, nicht zu gefährden, gilt es jedoch dauerhafte Maßnahmen zur Verringerung der Kormoran-Prädation am Fließgewässer umgehend durchzusetzen.

 

Weitere Erfolge: Sensibilisierung der Bewohner, sanfter Tourismus und Umweltbildung
Durch den Anschluss eines Helme-Altarmes wurde die ökologische Durchgängigkeit in die Forellenregion des Harzes wieder hergestellt. Der Kreisanglerverein Sangerhausen nutzt dieses Projekt zur ökologischen Bildungsarbeit. Der Naturlehrpfad am Helme-Altarm ist ein weiteres Bindeglied zur Verbesserung der naturnahen, touristischen Infrastruktur. Auf elf Schautafeln werden dem Besucher interessante Informationen über die Bewohner über und unter Wasser vermittelt und Zusammenhänge im biologischen Gleichgewicht erläutert. Für Kinder und Jugendliche wurde begleitendes Informationsmaterial zusammengetragen und in Form einer PowerPoint-Präsentation anschaulich aufgearbeitet. Mit großzügiger Unterstützung der Kreismedienstelle gelang es, allen Schulen des Einzugsgebietes dieses Material in Form von Arbeitsblättern bereitzustellen. Auch zur Vorbereitung auf Projektwochen, Landschulaufenthalte und Wandertage kann das Material interessierten Gruppen inhaltlich Hilfestellung geben. Ein wichtiger Schritt zur Entwicklung sanfter Tourismuskonzepte und vernetzter Wanderwege wurde mit der Öffnung eines Rundwanderweges um den Stausee Kelbra Wirklichkeit. Die Radwandertouren entlang der Helme erfreuen sich wachsender Beliebtheit. So folgen die thematischen Tourvorschläge „Kaisertour“ und „Straße der Romanik“ in großen Abschnitten der Helme auf neu geschaffenen Radwegen.

 

Ein Ausblick: Kulturwanderweg von der Quelle bis zur Mündung
Das blaue Helme-Band soll als Naturwanderweg länderübergreifend von der Quelle bis zur Mündung dem Spaziergänger und Wanderer Erlebnisse in und mit der Natur ermöglichen, zur ökologischen Bildung beitragen, für Umweltthemen sensibilisieren und das Engagement für eine gesunde und nachhaltige Lebensweise fördern. Der Kreisanglerverein Sangerhausen will die Kulturlandschaft der Helme, die auch durch den Wechsel von Ackerbau, Weidewirtschaft und ausgedehnte Streuobstwiesen geprägt ist, erhalten und weitere Renaturierungsvorhaben anregen und fördern. Zur Verbesserung der Gewässerstruktur will der Kreisanglerverein Sangerhausen Störsteine in die begradigten Flussabschnitte einbringen. Durch Profilaufweitungen sollen mehr Laichhabitate entstehen und zur Verringerung der Abflussgeschwindigkeit Altbettstrukturen reaktiviert werden. Die Uferbepflanzung mit landschaftstypischen Kulturen verbunden mit der Einrichtung von Gewässerschonstreifen soll fortgesetzt werden. Die Betreibung der Talsperre im Nebenschluss steht ebenso wie die Gewährung der ökologischen Durchgängigkeit oberhalb des Thyra-Einflusses im thüringischen Bereich auf der Agenda bis 2015.

 

Text: NaturFreunde Deutschlands e.V. und Deutscher Angelfischerverband e.V.

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