Flechte 2011
Die Gewöhnliche Feuerflechte / Fulgensia fulgens ((Sw.) Elenkin)
Die Gewöhnliche Feuerflechte wächst in lückigen Trockenrasen auf extrem nährstoffarmen und flachgründigen Böden über Kalk- und Gipsgestein. An diesem Standort ist die Art leicht erkennbar durch ihr rosettiges, leuchtend gelbes Lager und die tellerförmigen, orangebraunen Fruchtkörper mit hellerem Rand. Zu verwechseln ist sie allenfalls mit der wesentlich selteneren Fulgensia bracteata, die sich durch ein mehr schuppiges Lager unterscheidet. Die farblich ähnlichen Schönfleck- und Gelb-Flechten (Gattungen Caloplaca und Xanthoria) wachsen stets direkt an Gestein oder an Rinde, nicht auf dem Boden. Im englischen Sprachraum wird die Flechte bezeichnenderweise „Scrambled-egg lichen“, also Rührei-Flechte, genannt. Verbreitet ist die Art über die gesamte Nordhemisphäre, vor allem in den wärmegetönten Kalkgebieten und in den Steppen Eurasiens und Nordamerikas. Im Mittelmeerraum treten weitere, teilweise schwer zu unterscheidende Arten der Gattung hinzu.
Gewöhnliche Feuerflechte / Foto: Wolfgang vonBrackel
Fulgensia fulgens ist eine der Charakterarten der „Bunten Erdflechtengesellschaft“, die die trockenen Kalk-, Löss- und Gipsböden vor allem in den Wärmegebieten Süddeutschlands, Österreichs und der Schweiz (Oberrheintal, Main- und Taubertal, Thüringer Becken, Burgenland) ziert. Neben ihr treten hier die graugrüne Toninia sedifolia, das braune Placidium squamulosum, die weiße Squamarina lentigera, die hellgrüne Cladonia convoluta und die orangefarbene Psora decipiens auf.
Die Gewöhnliche Feuerflechte ist in Deutschland so stark zurückgegangen, dass sie auf der Roten Liste als „vom Aussterben bedroht“ geführt wird, wie auch ihre Begleiter Squamarina lentigera und Cladonia convoluta, „stark gefährdet“ sind Toninia sedifolia und Psora decipiens. In der Schweiz gilt Fulgensia fulgens als „verletzlich“ (vulnerable), in Österreich als „stark gefährdet“.
Wie Kultivierungsversuche gezeigt haben, ist Fulgensia fulgens keineswegs vermehrungsunfreudig. Ihr Problem, und das betrifft auch ihre Begleiter, ist vielmehr der Verlust des Lebensraumes, das allmähliche Verschwinden der Offenbodenstellen in den Trockenrasen. Durch anhaltend hohe Nährstoffeinträge aus der Luft ("Lufteutrophierung", die eines der drängendsten, gegenwärtigen Umweltprobleme darstellt), gewinnen raschwüchsige Moose und Blütenpflanzen an Konkurrenzkraft und überwachsen die Flechtenrasen. Zudem begünstigt die weitgehende Aufgabe der Wanderschäferei das Aufkommen von Gehölzen, ebenso entfällt die Schaffung stets neuer Offenbodenstellen durch den Tritt der Schafe. Darüber hinaus wurden (und werden) kleinflächige Trockenrasen durch Flurbereinigung, Wegebau und Aufforstungen aus der Landschaft verdrängt.
Text: Wolfgang von Brackel / BLAM